DAS HEIM oder die unglaubliche Geschichte des braven Pflegers Adem Ibrahimović

Burgenland, 29. 9. 2025

Ein Roman über Altenpflege, Herkunft, Bürokratie – und die Frage, wo man eigentlich hingehört.

Südburgenland im Jahr 2000.
Während vor dem Bezirksgericht Oberwart die Lautsprecher dröhnen und eine neue Regierung angelobt wird, betritt Adem Ibrahimović das Amtsgebäude – auf der Suche nach einer Antwort. Genauer gesagt: in der Hoffnung auf die Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die hat er vor zwei Jahren beantragt. Geantwortet hat seither niemand.

Adem ist bosnischer Herkunft, Krankenpfleger aus Überzeugung und Pflegedienstleiter im Gesundheitszentrum Kastlbach, einem etwas in die Jahre gekommenen Heims im Süden Österreichs. Dort ist er nicht nur beliebt, sondern auch fachlich hoch angesehen – mit Spezialausbildung, Feingefühl und einem pragmatischen Zugang zum täglichen Wahnsinn zwischen unterbesetztem Personal, übervollen Zimmern und den kleineren oder größeren Marotten der Bewohner:innen. Die räumliche Situation im Heim ist angespannt – zu eng, zu wenig Privatsphäre. Doch der Vorschlag, ungenutzte Pavillons auszubauen, wird vom Vorstand kurzerhand abgelehnt. Und zu all dem plagen Adem noch größere Sorgen. Seine Mutter, Österreicherin, starb in Tuzla kurz nach seiner Geburt, sein Vater in den Nachwehen des Jugoslawienkriegs. Weil Adem glaubt, über seine Mutter automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen, zieht er 1998 mit einem Touristenvisum zu seinem schon leicht an Demenz leidenden Großvater nach Kastlbach – und beantragt, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Zwei Jahre lang geschieht nichts. Am Tag der Angelobung der neuen Bundesregierung wird er plötzlich aufgefordert, neben allen bereits vorgelegten Dokumenten auch noch die Heiratsurkunde seiner Eltern beizubringen. Die liegt ihm nicht vor. Der zuständige Sachbearbeiter verweist ihn an die bosnische Botschaft.

Was wie ein Missverständnis beginnt, entwickelt sich zur rechtlichen Falle: Das uralte Staatsbürgerschaftsgesetz von 1949 sieht nämlich vor, dass eine Österreicherin ihre Staatsbürgerschaft bei Heirat mit einem Ausländer automatisch verliert – zumindest bis nur Novelle 1966. Adems Eltern heirateten 1963. Für die Behörden ist der Fall klar: Adem hält sich unrechtmäßig im Land auf. Er soll Österreich verlassen. Der Anwalt Paul Seeliger, dessen Vater bis zu seinem Tod von Adem gepflegt wurde, übernimmt die Vertretung – pro bono. Doch selbst mit juristischen Kniffen bleibt wenig Spielraum. Leserbriefe werden verfasst, das Landesstudio des ORF im Burgenland eingeschaltet, Argumente vorgebracht – doch das Bild wird von Tag zu Tag düsterer.

Und dann ist da noch ein weiteres Problem: Adems Großvater. Der einst so
entschlossene Patriarch schlittert immer schneller in die Demenz – und damit
verbunden kommen Dinge ans Licht, die Adem nie wissen wollte. Etwa, dass der
Großvater seiner Tochter die Wahl ließ: den „Gastarbeiter“ heiraten – oder das Haus
verlassen. Sie ging.

Mitten in dieser persönlichen Krise unterbreitet die 71-jährige Heim-Bewohnerin Verena Zlupetzky ihm einen Plan – absurd, riskant, vielleicht illegal. Doch was hat er schon zu verlieren?

Als Adem schließlich bei Nacht und Nebel die Koffer packt und sich auf den Weg Richtung Grenze macht, ist alles gesagt, alles getan. Nur ein paar Kilometer trennen ihn von der Rückkehr in eine alte, vom Krieg und vom Verlust gezeichnete Heimat. Doch kurz vor dem Grenzübergang wendet er. Und fährt zurück.

„DAS HEIM oder die unglaubliche Geschichte des braven Pflegers Adem Ibrahimović“ ist ein Roman, der dort hinschaut, wo andere wegsehen: in die Ämter, in die Pflegestationen, in die Biografien. Es ist ein Buch über
Menschlichkeit im System – und über die Unmenschlichkeit der Systeme. Und trotz aller Härte, die Adem erlebt, erzählt der Roman seine Geschichte mit überraschender Leichtigkeit.

Denn wo das Leben schwer wird, hilft manchmal nur eines: Humor. Der Ton bleibt warm, die Sprache pointiert, die Figuren voller Leben – sogar dann, wenn sie schon ans Vergessen grenzen.

Mit einem messerscharfen Blick für Sprache, Szene und Sozialstruktur erzählt der Autor von Herkunft, Heimat, Würde – und davon, wie viel Hoffnung manchmal in einem Heim steckt.
Oder in einem einzigen Menschen.

 

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